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  Ella . Detail des Stuhls von Jacopo Foggini, veröffentlicht im Band Edra Shades.

Oktober 2023

PEOPLE
Words
Jacopo Foggini

Polycarbonat, der Ausdruck der Geste

Meine Zusammenarbeit mit Edra begann vor 14 Jahren: sie ist wie eine Romanze erblüht und hat sich im Laufe der Jahre in eine tiefe und ehrliche Liebe verwandelt. Das Unternehmen ist für mich eine Oase der Kreativität, in der ich mich völlig frei fühle, grenzenlos meiner Phantasie freien Lauf zu lassen und zu experimentieren und dabei teile ich dieselben Wertvorstellungen und dieselbe Philosophie: eine planerische Fähigkeit jenseits jeglicher Mode, die auf Qualität und auf das Handwerk achtet. Unsere Zusammenarbeit begann mit dem Tisch Capriccio, und ging mit den Stühlen Alice, Gina, Gilda B., Ella, Margherita und Ester weiter. Das sind einige der ersten Projekte. Neben der Entwicklung der permanenten Kollektion, gibt es in unserer Partnerschaft zahlreiche Sonderprojekte, wie die Stühle Nel Blu Dipinta di Blu, Unikate, die 2014 für das Musée d’Orsay realisiert wurden. Diese Objekte wurden alle von Hand gefertigt, entstanden aus dem Experimentieren mit den unendlichen chromatischen und ästhetischen Möglichkeiten des Polycarbonats, dem Material, das ich für meine Lichtinstallationen benutze. 

Ich stamme aus einer Unternehmerfamilie, die Kunststoff aus der Automobilindustrie verarbeitete. Meine Mutter hingegen ist Bildhauerin. Ich bin die Synthese dieser beiden so unterschiedlichen Welten. Als Kind betrat ich heimlich eine dieser Fabriken, obwohl ich im Auto warten sollte. Es war erdrückend heiß und sehr laut. Bei einem Gussformwechsel sah ich zum ersten Mal einen Tropfen roten Materials aus dem Mund eines, wie ich damals dachte, „mechanischen Monsters“ herausfließen, der aussah wie Glas, es aber nicht war. Es war Methacrylat, ein Keim, der in meinem Kopf wuchs, und der dann in meiner Arbeit Gestalt annahm. Eines Abends war ich Ende der 90er Jahre mit Romeo Gigli Abendessen. Die Gesellschaft war gut genauso wie das Essen. Bei ihm zu Hause war es einfach zu plaudern, über das Leben und Träume zu reden. Ich sagte ihm, dass ich kein Unternehmer wie mein Vater werden wollte und erklärte ihm meine Idee, jenen Keim zu pflegen, den mir das „mechanische Monster“ anvertraut hatte. Und da forderte mich Romeo Gigli heraus: in Mailand gab es eine Location von Alfa Romeo, in der er eine Modenschau für seine Models und Kleidung veranstalten sollte. Er bat mich, Weltkugeln aus Methacrylat herzustellen. Ich konnte keinen Rückzieher machen, denn er bat mich genau, das zu tun, was ich eigentlich machen wollte, wofür ich aber noch nicht den Mut gefunden hatte. Ich rief einen der Ingenieure an, der für meinen Vater arbeitete. Giorgini, er war der verrückteste, der sympathischste und der, der am wenigsten Ingenieur war. Auch er experimentierte gerne heimlich wie ich. Er half mir dabei, eine Maschine für diese Weltkugeln zu bauen. Romeo Gigli gefielen sie, also bat er mich, Lichtobjekte für eine Ausstellung des Fuorisalone zu realisieren. Gigli ist vermutlich der erste italienische Modedesigner, der begann, Installationen zu konzipieren, indem er auf Künstler zurückgriff und verschiedene Kunstformen vermischte: Mode mit Design, Architektur, Kunst und Musik. Er, der damals bereits wusste was auf der Welt vor sich ging, erschloss mir neue Welten. Damals waren wir nicht viele, die sich vorstellen konnten, eine handgemachte halbindustrielle Produktion zu realisieren. So fing ich nach einigen Jahren im Familienunternehmen an, mich dem zu widmen, was am besten zu mir passte: der Herstellung von Unikaten. Ich wählte jenes Material, das in der Industrie bekannt war und das mich faszinierte und ich versuchte, ihm eine andere Seele einzuhauchen. Ich war der Auffassung, dass Menschen in der Lage sind, Objekte zu schätzen, die an der Grenze zwischen Kunst und Design stehen und die den Wünschen und Bedürfnisse derjenigen auf den Leib geschneidert werden können, die sie als Unikate in Auftrag geben. 
Ich habe dann eine Werkstatt aufgebaut, keine richtige Fabrik, einen Ort der kleinen Monster, die keine Angst machen aus denen bunte Tropfen mit 280 Grad Celsius fließen.
Wir produzieren mit Extrudern einer italienischen Firma, mit der mein Vater zusammenarbeitete. Mit der Zeit und dank der Handwerker, die mit mir arbeiten, habe ich gelernt, diese Maschinen nach meinen Bedürfnissen zu verändern, damit ich das geschmolzene thermoplastische Harz zähmen konnte. Das Herstellungsverfahren ist eine Mischung aus Glasproduktion, Konditorei und etwas anderem, das ich nicht definieren kann. 

Das Material liegt als zum Teil recyceltem Granulat vor, was für mich besonders wichtig ist. Es ist schön zu denken, dass Produkte und Installationen schon einmal, vielleicht als Helm oder Spielzeug, gelebt haben. Plastik0 wird seit einigen Jahren verteufelt; ich würde die Diskussion zur Nachhaltigkeit anders führen: es ist der ruchlose Gebrauch des Menschen damit, durch den es umweltschädlich wird; weil es für sich genommen das Leben von jedem verändert, meistens zum Besseren. Das, was ich durch meine Arbeit übermittle, ist, dass man durch dieses Material schöne, wertvolle und einzigartige Dinge erschaffen kann. Ich will ihm eine neue Seele geben und es von dem allgemeinen Bild des wenig interessanten Industrieproduktes lösen. Also wandle ich es in Skulpturen, Sessel, Stühle, Lampen um. 
In den letzten Jahren habe ich angefangen, auch unterschiedliche Materialien zu verwenden, wie Glas für den Tisch Egeo und Alabaster für die Tische Cicladi und Fullmoon.

Die kontinuierliche Suche nach neuen Materialien, zusammen mit der Aufmerksamkeit auf die Qualität und Handarbeit, die Edra von anderen Exzellenzen Italiens abheben, ermöglicht die Kreation von Objekten mit einer hohen handwerklichen Komponente, die sie einzigartig machen. Ich bin der Meinung, dass es heute in einem historischen Moment, in der die Selbstverständlichkeiten, die von der Globalisierung und der Frenetik des Konsumismus diktiert wurden, in Frage gestellt werden, notwendig und unvermeidlich ist, zu einer lokalen, mehr handwerklichen Dimension zurückzukehren. Mit Edra erschaffen wir Objekte mit einer Geschichte, die über einen poetischen Wert verfügen und über die reine Form hinausgehen. Weit entfernt von den Konsumdynamiken des Designs wählen wir nur wenige Projekte aus, die wir dann mit Liebe und Sorgfalt entwickeln, um zeitlose Produkte entstehen zu lassen. Jede meiner Kreationen und jede Kollektion bringen eine neue Erzählung zum Ausdruck, sie sind eine ständige Überarbeitung meiner persönlichen Geschichte und der grenzenlosen Möglichkeiten meiner zwei Bezugsmaterialien: Polycarbonat und Metacrylat. Das Arbeiten mit diesen zwei Materialien erlaubt es mir, Farbe und Licht nicht als Dekoration oder Ergänzung zu verwenden: Farbe und Licht sind das Material selbst, das aus meinen Maschinen kommt und das ich in einem gleichzeitig kreativen und produktiven Akt forme.
Mit der Kollektion A‘mare habe ich eine neue Sprache und eine neue Anwendung von Polycarbonat für eine Reihe von nicht gezeichneten Objekten mit einer einfachen Form, die das Material in seiner Reinheit hervorhebt, geschaffen 
Meine Werkstatt ist ein Ort voller Monster. Aber sehr kleinen. Aber auch sie haben Nasen, aus denen farbige Tropfen herauskommen. Sie sind Keime, sie werden mir anvertraut, und ich verspreche: ich werde mich um sie kümmern.

Jacopo Foggini

Während er für das Familienunternehmen arbeitete, entdeckte er die Vielseitigkeit von Methacrylat und erfand eine Maschine, um es zu schmelzen und es dann mit seinen eigenen Händen zu modellieren. Nach dem Debüt im Jahr 1997 mit einer Rauminstallation von Romeo Gigli wurden seine Skulpturen Teil der ständigen Sammlungen renommierter Institutionen auf der ganzen Welt. Seine Arbeit entstand und bleibt an der Grenze zwischen Kunst und Design und reicht von der Schaffung monumentaler Installationen bis zur Zusammenarbeit mit Edra.

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