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 Das farbige Labor von Jacopo Foggini in Mailand, bevölkert von kleinen „mechanischen Monstern“.

Oktober 2023

PEOPLE
Words: Diamante d’Alessio

Hagiographie über Jacopo Foggini in 22 Buchstaben 

Warum habe ich ja gesagt? Ich hasse es, zu schreiben.
Und über Jacopo und mich zu schreiben, über unsere Freundschaft, ist ein gefährliches Unterfangen. Ein wenig, weil ich ein geheimes Tier bin und das ist auch er, in einer anderen Art und Weise, auch wenn er eine öffentliche Persönlichkeit ist. Und auch ein wenig, weil affektive Alchemien im Dunkeln verborgen bleiben sollten. Aber ich kann Monica, der Signora Edra, nicht nein sagen. Aus einem einfachen Grund. Wenn sie es vor Jahren nicht gewesen wäre, die Jacopo zum Frühstück bei mir mitgebracht hätte, dann hätte ich jetzt keinen Wahlbruder, der eben genau darum, wertvoller als alles andere ist. In meinem zynischen Dadaismus sage ich immer, dass Freunde/Ehemänner vergehen, aber ein Wahlbruder bleibt für immer. Und genau deshalb riskiere ich es und schreibe über uns. Einige Seiten dieses Magazins wurden schon den Künstler Jacopo, seinen Wunderwerken, seiner großen Kreativität gewidmet. Mein Text dagegen ist ein Bildnis, nein vielmehr eine Hagiographie in 22 Buchstaben. Sentimental, (auto)ironisch und eben dadaistisch. 

AMORE (Liebe). Die Obsession Jacopos. Er erzählt uns immer, dass er sie finden will. Ich glaube nicht, dass dies die ganze Wahrheit ist, auf jeden Fall nicht mehr als andere. In der Zwischenzeit gibt er wenigen (darunter ich) viel davon und er fordert sehr viel von allen. Bekanntmachung an die Besatzung: mit Vorsicht behandeln. 

Aber auch A wie

ARTISTA (Künstler) Und er ist es wirklich. Aber er weiß es nicht. Das meine ich ernst. Er realisiert zyklopische Chandeliers, Tische, die das Konzept Tisch verändern (seht euch seinen ersten an, Capriccio), Beistelltische, die selbst den Quirinal cool erscheinen lassen (das sage ich, ganz ruhig), Stühle, die einzigartig und so zerbrechlich und rührend schön sind, mit Namen der Frauen, die einen Platz in seinem Herzen haben (Margherita, Gilda, Ella, Gina). Und die Installationen, die in der Geschichte des Fuori Salone bleiben werden: allen voran, Limbo, die rosa Wolke im Portikus der Universität. Eine grandioser konzeptueller Wahnsinn, aber wahrscheinlich heute auch eines der meist fotografierten, pinterestierten und socialisierten Werke. Jacopo ist so, er lässt alles so einfach erscheinen. Und wenn ihm eine Anerkennung für seine Karriere zuerkannt wird, wundert er sich auch heute noch ein bisschen darüber. Er glaubt es bis zuletzt nicht. Er ist ein Künstler, und er ist es um so mehr, weil er zerbrechlich ist.

B

BOBBIO. Das buen retiro. Ein Häuschen in Griechenland mit feuerroten Fensterläden, das aus einem Märchen stammen könnte. Er hat es fast völlig mit seinen eigenen Händen gebaut und es hat einen großen, quadratischen Tisch in der Küche, wo man auch isst, und isst, und isst  (siehe unter Buchstabe F) und ein abgenutztes giftgrünes Sofa Boa, Hommage an die Campana Brothers. Einer der Herzensplätze Jacopos.

C

CHARLIE. Lebensgefährte, Statur  à la Steve McQueen, muskulös, ungezähmt, Abenteurer, rechthaberisch. Die beiden verehren sich gegenseitig. Er kommt aus einem Tierheim. Und er ist mit Olivia, meiner Roommate, meiner kleinen Spürnase, verlobt. Sie hat ihm beigebracht, vom Boot aus ins Wasser zu springen, seitdem sind sie unzertrennlich. Das macht Jacopo und mich zu gemeinsamen Schwiegereltern. Bitte nicht lachen, es ist wahr.

DESIGN. Was ist das? "Ein wunderbares Spiel". Sic dixit.

EDRA. Sein Zuhause, sein freundschaftliches Band mit Valerio und Monica. Der kreative Bereich der Konfrontation und des Wachstums, für Jacopo und für die Familie Mazzei. Ihre Visionen, die Herausforderungen, der Enthusiasmus, die Emotionen, die erreichten Ziele, der gegenseitige Respekt, die Poesie. Jedes Mal wenn ich Jacopo begleitete, um Ihnen einen Prototypen für den nächsten Salone zu bringen, fühlt man all das. Und das ist reine Potenz. 

F

FRIGO/FORNELLI. (Kühlschrank/ Herdplatte) Jacopo kann den Kühlschrank in einem unbewohnten Haus öffnen, in weniger als 20 Minuten 8 Gäste zu Tisch bitten und ein extrem raffiniertes Abendessen servieren. Wenn man ihn darum bittet, ein Rezept zu erklären, wird er sehr ungeduldig. Er erfindet die Rezepte im Moment selbst, mit einer Sensibilität für die Zutaten und ihre unerwartete Beziehung untereinander, die unwirklich erscheint. Seine Spaghetti mit Bottarga, Zitrone und anderen, rein zufälligen Zutaten verdienen einen Applaus. 

GROTTE. Die Foggini-Grotte in Ägypten. Sie wurde von Jacopo (der Legende nach, weil er „für kleine Jungs“ musste) und seinem Vater, einem Industriellen aus Turin, einer Persönlichkeit larger than life, außergewöhnlicher Forscher und Abenteurer, mit einem absoluten Charisma, entdeckt. Er und Jacopo lenkten ihren Jeep Richtung Gilf Kebir, eine Hochebene an der Grenze zu Libyen,  wo sie sich also vor so herausragenden Wandmalereien wieder fanden, dass dieser Ort nunmehr als die „Sixtinische Kapelle des prähistorischen Ägyptens“ gilt. Die Grotte zählt zu den bedeutendsten archäologischen Stätten der Welt, aber bevor ihnen die Ehre für ihre Entdeckung anerkannt wurde, gab es Abenteuer wie bei Indiana Jones, mit Spionen, echte Bösewichte, Verfolgungsjagden, Diplomaten in Botschaften, doppelte Spiele und viele Gefahren. Aber das ist eine andere Geschichte.

HOTEL. Sein Lieblingshotel war das George V in Paris. Sein Vater lebte 30 Jahre lang dort. Aber mit seinem Understatement besteht er darauf, dass er es vor seiner Restaurierung mehr liebte.

I

INDIEN. Wir haben uns dort entdeckt, in Kerala, im Somatheraam. Er, ein Stammgast, ich ein Ü
übel zugerichteter Neuling. Zu Weihnachten vor einigen Jahren: seit damals ist es ein fester Termin, der uns beide, jeden auf eine andere Art, regeneriert. Ich entdeckte Yoga, bringe nach wie vor streng verbotene Speisen mit (und er betrachtet mich nach wie vor mit schlecht verhüllter Empörung).

KINTSUGI. In Japan wurden zerbrochene Schüsseln mit Golddraht repariert. Im Abendland hat es die Bedeutung bekommen, seine Wunden nicht zu verstecken, sondern sie mit Stolz zur Schau zu stellen. Wir sind auch, vielleicht sogar vor allem, unsere Wunden. Dies ist ein Argument für unendliche Debatten. Jacopo ist die personifizierte savoyische Reserviertheit. 

L

LIBERTÀ. (Freiheit) Ist Jacopo ein freier Mann? Das frage ich mich oft. Manchmal belasten ihn seine Dämonen, seien Erziehung, seine Sensibilität. 

MEER. Obwohl Jacopo ein echter Turiner ist, besitzt er eine wahnsinnige Affinität zum Wasser. Seine Beziehung zum Wasser, zu den Meerestieren, mit der Transparenz, ist, glaube ich, genau das, was ihn so sehr für seine Werke beeinflusst. Dieser Faden aus Metacrylat wird zu Objekten, Installationen die an Korallenriffe erinnern. Blau, Türkis, Hellblau sind viel mehr als nur Farben für ihn, sie sind die Essenz eines Teils von ihm. aus diesem Grund ist die letzte Kollektion in emotionaler Hinsicht so besonders. nicht umsonst ist der Name, den er für sie gewählt hat A' mare.

NARZIST. Das ist er sehr. Aber so sind auch Peter Pan, Odysseus, der kleine Prinz. 

O

OSTRICHE.(Austern) Sein Vater hatte eine Austernzucht in der Bretagne. Er ist verrückt danach.

P

PONZA. Meine Insel, und jetzt ein wenig auch seine. Wir fahren mit dem Boot, die Hunde, eine heiße Pizza und eisgekühlter Wein. Stundenlang im Wasser. Was ihm am meisten Spaß macht? Die Anker der benachbarten Boote zu lösen. Viele wollen ihm ein Trinkgeld anbieten: Er könnte daraus sogar einen Vollzeitjob machen. er taucht unter und wenn er wieder an die Oberfläche zurückkommt, hat er einen Blick reiner  triumphaler Freude. 
POLIPO (Kraken) er hat einen auf den Arm tätowiert. Viele, in den verschiedensten Materialien finden sich in seinen Häusern. 

QUI E ORA. (Hier und jetzt ) Das ist seit geraumer Zeit mein Mantra und seit kurzem ein wenig auch seines.

R

ROMEO UND LARA. Lilien. Sie gehören zu den Gründern seines Clans seiner Lieben. Romeo hat ihn aufgezogen und die Kreativität eines großzügigen, visionären, absoluten Genies, hat Jacopo zu dem gemacht, der er heute ist: auf seine Art, anders, ein Visionär. Ihre Beziehung ist zusammen mit der zu Lara außerordentlich schön und stark.

S

SEDUZIONE (Verführung)  Er probiert es bei fast allen. Er möchte geliebt werden, wie ein Großteil aller Künstler. Und meistens gelingt es ihm.

T

TOMMASO. Sein Sohn. Manchmal auch Vater. Weise, klar, solide. Er ist der beste Sohn, den man sich wünschen kann.er hätte eine Extra-Hagiographie verdient.

U

UMORALE (Launisch). Schrecklich launisch.

V

VASCA DA BAGNO (Badewanne)  dort verbringt er tagtäglich mindestens eine Stunde. Er gibt in ihr Interviews, telefoniert, liest, erfindet Objekte, Arbeiten, Relationen. Hier ist sein Nichtort par Excellence.

Z

ZIGEUNER, ein Reisender, vor allem der Emotionen, „supersenibel“, im Guten wie im Schlechten, mit einem miesen Charakter, oft unerträglich, großzügigst, genial.
Das ist für mich Jacopo Foggini.


Diamante D’Alessio

Journalistin in den unterschiedlichsten Zeitungen (zuletzt Direktorin von Style Piccoli und Io Donna), jetzt produziert sie neben den verschiedensten dadaistischen Unternehmen Öl in Siena, arbeitet mit dem Verlag Marsilio zusammen und gehört zu den Anteilseignern des Verlags La Nave di Teseo und der Academy of Creative Writing, Molly Bloom. Sie unterstützt die CUAMM, Doctors with Africa (www.mediciconlafrica.org), deren Vorstandsmitglied sie sein darf.

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