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Oktober 2023

FOCUS
Words: Giampaolo Grassi

Binfaré und der Weg des Mysteriums

Flap ist eine Vision. Pack ist eine Vision. Das Erste schließt die Freiheit nach dem Fall der Berliner Mauer in sich ein. Das Zweite beherbergt eine treibende, ahnungslose Gesellschaft. Francesco Binfarés Visionen sind ein Oxymoron, sie sind Paradoxien. Denn sie definieren das Zeitgenössische. Und sind dabei ganz eigenartig Konkret. „Ich bin erstaunt, wie das Konzept eines Sofas die Schatulle einer Vision sein kann“, sagt Binfaré, „nicht alles eignet sich dazu, eine solche Art von Behältnis zu sein. Visionen sind Gedankenspielereien, die eine eigene Realität annehmen. Sie finden die Materie, wie das Feuer den Sauerstoff. Der Sauerstoff der Vision ist ein Element, das sie in einen Dialog mit den Mitteln, die man kennt, mit der Situation, die man erlebt, verwickelt. Und das ermöglicht es den Visionen, die Form anzunehmen, die sie annehmen müssen“.

Für Binfaré ist die Form die des Sofas. In der Regel. Aber „in der Regel“ funktioniert bei ihm nicht, es trifft nicht zu. Denn es gibt Visionen, die ihre eigenen Wege gehen, auch intime Wege. Oder die verschlossen bleiben, behütet, weit weg von lästigen Blicken. Binfaré schuf einst einen von Afrika inspirierten Tisch. „Er war der Ausdruck eines Wunsches: Afrika zum Fliegen zu bringen, ein Kontinent mit einer kraftvollen Form, die jeder starren Zivilisation fremd ist. Die Demokratie ist rund, die Bourgeoisie ist oval, das Rechteck ist hierarchisch. Die Form Afrikas ist einzigartig. Unter den Landflächen ist sie für mich die schönste. Wenn man sich an den Afrika-Tisch setzt, hat jeder Mensch eine eigene Rolle, er ist weder Teil des Kreises noch der Ehrengast. Der Tischumfang beschreibt eine Art des Zusammenseins unter den Menschen“. Und überhaupt ist diese Geschichte von Afrika auch ein Trick. Sie dient dazu, eine Vision zu definieren: eine Art, die Dinge mit einem anderen Blick zu betrachten. Ein Blick, der schon immer anders war und sich von allen anderen unterscheidet „Pack war ein Kick. Das große weiche ist das ultimative Sofa. Zurzeit realisiere ich eine Installation. Als Erster einen müden Engel. Müde vom Warten auf Wunder. Dann ein müder Engel, der wieder aufsteht. Eine Botschaft der Hoffnung. Aber es ist schwierig, heute Visionen zu haben. Wir befinden uns in einer Zeit des Wartens. Warten auf eine Verkündung. Ich versuche, dem Geheimnis näher zu kommen. Das ist auch der Grund, warum ich über leere Kathedralen nachdenke, über große Malerei, die zum Tourismus geworden ist. Vielleicht sind im Moment eher Halluzinationen als Visionen das richtige Mittel. Aber die kommen nicht mit der Realität zurecht“.

Die Visionen von Binfaré schon. „Zeichnen ist Leid, es bedeutet, das perfekte Tier in deinem Kopf in ein Tier zu verwandeln, wie es nach der Erbsünde geworden ist. Die Berufswelt ist diese Achse des Gleichgewichts, dienst du oder dienst du nicht, dienst du dem Teufel oder dem Engel? Denn die Unternehmen nehmen die Visionen von den Menschen, die sie haben, und machen daraus wertvolle Materie“. Binfaré hat ein Vokabular, das auch Worte in Visionen umsetzt. „Ein Unternehmer ist jemand, der eine Leistung vollbringt, und eine Leistung ist auch die von Kolumbus, der Amerika entdeckt. So sind Visionen Treibstoff auch für ein Unternehmer. Sie treiben an, sie helfen, etwas zu schaffen. Sie sind arroganter als der Überlebensdrang, der eine mächtige Energie ist“. Fakt ist: „Vision ist ein wunderschönes Wort. Man denkt gleich an Picasso und seinen blinden Minotaurus, der sich im Dunkeln von einem Mädchen mit einer brennenden Kerze führen lässt. Es ist aber auch ein schreckliches Wort. Eine Vision ist ein starker Katalysator, sie kann gefährlich sein, sogar eine Ideologie wird aus einer Vision geboren. Und Ideologien haben Tod und Tragödie nach sich gezogen". Was dann? Es braucht immer jemanden, der Visionen abkühlt. Einen Sancho Panza, der den Mut hat, dir zu sagen: „Halt. Was du siehst, sehe ich nicht“. Mein Sancho Panza ist das Unternehmen, ein vertrauenswürdiger Begleiter, der es meiner Vision ermöglicht, im Hafen der Realität zu landen".


Giampaolo Grassi

Parlamentarischer Reporter der italienischen Presseagentur ANSA. Bevor er sich für die Politik interessierte, war er für die Rechtsnachrichten in Florenz und in den Fungurnachrichten in Mailand verantwortlich.

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