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 Wavy. Das Zaha Hadid -Sofa in Maxxi fotografiert.

Oktober 2023

PEOPLE
Words
Gloria Mattioni

Zaha Hadid

Die erste Kollektion der irakenischen Architektin für Edra im MAXXI nach mehr als dreißig Jahren

Als erste Architektin erhielt sie 2004 den renommierten Pritzker-Preis: eine außerordentliche Anerkennung, wenn man bedenkt, dass die Branche, in der sie tätig war, weitgehend von Männern dominiert ist. Wir reden hier von Zaha Hadid Die in Bagdad geborene Wahl-Londonerin wurde schon vor ihrem überraschenden Tod im Jahr 2016 zu einer Legende. Sie hat bleibende Spuren hinterlassen, wie wir hinterlassen, wie wir den Raum konzipieren.  Sie erschuf Strukturen mit welligen Oberflächen aus Zement und Kristall, die unsere vorgefassten Konzepte demolieren und sogar geometrische Lehrsätze neu definieren. Außerdem entwarf sie als erste Frau ein amerikanisches Museum, das neue Lois & Richard Rosenthal Center for Contemporary Art in Cincinnati, in Ohio, das 2003 eingeweiht wurde. Mehr als alles andere aber war sie eine Revolutionärin und große Visionärin.  Mit ihren geschmeidigen Formen hat sie dazu beigetragen was von der obsoleten Steifheit der Architektur noch geblieben war, zu erschüttern. 

Rom, unser ewigen Stadt schenkte sie das Museum MAXXI, wofür sie den Stirling-Preis vom Royal Institute of British Architects erhielt, zusätzlich zu anderen renommierten Auszeichnungen wie den Mies van der Rohe Preis. „Ich bin diesem Museum besonders zugetan,“ erzählte Hadid, „denn es ist ein zeitgenössisches Gebäude in einer antiken Stadt und es war aufregend, in einer vielschichtigen Umgebung zu bauen und in so einem schönen Rahmen die neuesten Technologien zu verwenden, um die Vergangenheit und die Gegenwart miteinander zu kombinieren“. Das Museum in Rom ist ein Paradebeispiel für ihre Vorstellung von integrierter Architektur, die auf der Wechselbeziehung zwischen Projekt, Ort und Lage beruht: „Das hilft uns dabei, diese Gebäude als lebendige Räume zu betrachten. Heutzutage sehnen sich die Menschen nach öffentlichen Räumen, in denen sie sich, wie damals auf der Piazza des Dorfs, treffen können. Diese Räume sind für die Gemeinschaft bestimmt. Museen spielen eine wichtige Rolle, denn nicht alle haben die Möglichkeit zu verreisen. Sie dienen dazu, lokale, kulturelle Aktivitäten von höchster Qualität anzubieten“: 
Edra hat genau im MAXXI mit den Bildern dieser Seiten ein außergewöhnliches Fotoshooting der Stücke der Kollektion von Zaha Hadid, die das Unternehmen 1988 produzierte, realisiert. Monica Mazzei erzählt: „Sie war in der Lage, auf unterschiedlicher Skala immer mit der gleichen Sensibilität zu entwerfen.“ 

„Uns faszinierte, wie es ihr gelungen ist, ihre Sprache von der Architektur auf die Einrichtung zu übertragen und wie ihre geschwungenen Linien, die das Ambiente definierten genauso die Objekte charakterisierten.

Diese Objekte, die Skulpturen ähnelten, sahen wie Mikroarchitektur aus. Sie nahm eine echte Maßstabsverkleinerung vor. Auf den Bildern sieht man den Dialog zwischen den  Stücken der Kollektion und dem Museum“. 

Die Kollektion umfasst drei Sofas, Red, Woush und Wavy, und einen großen Tisch, Metal Carpet. Es war Zaha Hadids erste Erfahrung im Produktdesign. Eine Herausforderung für die Produktion, der sich, die erst vor kurzem gegründete, Edra, mit Begeisterung stellte. Das Unternehmen war entschlossen, die fragmentarischen Geometrien und den Eindruck von Bewegung, die den Entwurfszeichnungen der „Königin der Kurve“ und „Erfinderin des rechten-Winkels mit 89-Grad-“ innewohnten, auch auf die nie zuvor dagewesene Objekte zum Wohnen zu übertragen. 
In jenen Jahren war sie als „Architektin auf dem Papier“ bekannt. Trotz der Anerkennung und Bewunderung von berühmten Kollegen, wie Daniel Libeskind oder Elia Zenghelis und Rem Koolhas, mit dem sie am Office of Metropolitan Architecture vor der Eröffnung ihres Büros in London zusammenarbeitete, wurden ihre Projekte nie verwirklicht. Sie begeisterten, aber wurden als zu avantgardistisch betrachtet, als dass ihr Entwurf in eine Konstruktion übergehen konnte. Ein Hindernis, das sie auch 1983 nicht überwinden konnte, als sie mit ihrem Preis für The Peak, einem Projekt für ein Spa- und Freizeitclub in Hong Kong internationalen Ruhm erntete: das Projekt war eine Art „horizontaler Wolkenkratzer“ , der dazu diente ihre Ästhetik, die von Kazimir Malevich und vom russischen Suprematismus geprägt wurde, zu festigen. 
Aufgrund ihres außergewöhnlichen Kampfgeistes ließ sie sich nicht entmutigen; sie entwarf weiter und füllte ganze Notizblöcke mit neuen Skizzen. Ihr Bleistift war unaufhaltsam genauso wie ihre Vorstellungskraft. „Die Zeichnung ist eine Linse, die Aspekte erfasst, die sonst kaum auffallen würden,“ sagte sie. „Sie ist eine Methode, um zu verstehen, wie sich die Dinge verändern und entwickeln können und dient dazu, die Form nicht endgültig erstarren zu lassen , sondern um die Möglichkeit des Werdens zu zeigen“.  Von den anfänglichen Skizzen in schwarz und weiß ging sie bald zum Farbenreichtum über, so fügte sie neue Nuancen, Tiefen und Schattierungen hinzu: „Wann immer ich zeichne“, erklärte sie „ändert sich meine Vision des Gebäudes. Das Malen  ist eine Art Test, der dabei hilft, die endgültige Konfiguration der Architektur zu definieren“. Ihre Projekte werden tatsächlich wie Gemälde gesammelt und in verschiedenen Kunstmuseen ausgestellt. Die Fotos und Zeichnungen aus der Zeit ihrer Zusammenarbeit mit Edra in den Unternehmensarchiven wieder zu finden und jetzt die Aufnahmen im MAXXI zu sehen, war eine großartige Emotion.

Ihre unersättliche Neugier und ihr Wunsch die räumlichen Beziehungen in unterschiedlicher Skala zu erforschen, war ein Sprungbrett für die Architektin, um Möbel für ihr Zuhause in London zu realisieren. Es war eine kleine Wohnung, das aus den ehemaligen Stallungen der Königsfamilie gewonnen wurde und das diverse Problematiken um dort zu wohnen, aufwies. Ihre Vorstellung von Innenräumen stammte von einem Konzept der Urbanistik, in der der Raum der wahre Protagonist bleibt und mit der Einrichtung dynamisch interagiert.

Sie hatte kein Interesse daran, funktionale Objekte zu zeichnen.

Sie wollte Emotionen provozieren, wie die, die sie auf dem Roten Platz in Moskau empfand: „Da leben Gebäude aus verschiedenen historischen Epochen großartig zusammen“ erzählte sie. „Die Basilius-Kathedrale, das Kaufhaus GUM, der Kreml, das Lenin-Mausoleum, das sind alles erstklassige Gebäude, die aus einer klaren Absicht entstanden sind. Die Intensität des Projekts macht das Ganze harmonisch“. So entstanden da erste Sofa, Woush, das Hadid von einem Londoner Handwerker bauen ließ, und jener unglaubliche Tisch, Metal Carpet, der aus einem Set von 2001:Odyssee im Weltraum zu kommen scheint.
 „Im Sommer 1987 veröffentlichte Casa Vogue die Bilder ihres Hauses“ erzählt Edras Präsident, Valerio Mazzei. „Massimo Morozzi und ich waren fasziniert von der Harmonie der Volumen und der Dynamik dieser Möbel in ihrer Beziehung zum Raum. So beschlossen wir, nach London zu fliegen, um sie zu treffen, und ihr eine Zusammenarbeit vorzuschlagen“. Mein erster Eindruck hat sich auch in den folgenden Begegnungen nicht geändert:

„Sie war eine Person von entwaffnender Liebenswürdigkeit. Viele bezeichneten sie als hart und streng, aber das war zu ihrer Selbstverteidigung, die aus ihrem Perfektionismus und aus dem Wunsch, Grenzen zu überschreiten, die Architektur und Technik nie zuvor überschritten hatten, stammte“.

Eine Begegnung mit ihr konnte niemanden kalt lassen“, bestätigt Monica Mazzei.  „Sie war intensiv, neugierig, entschlossen aber schüchtern, sehr instinktiv aber auch extrem rational. Als sie zum ersten Mal bei uns in der Toskana zu Besuch war, bat sie darum, sich die von Mussolini gebauten Kolonien von Calambrone anzusehen: Sie war von der faschistischen Architektur, der sie einen Teil ihrer Abschlussarbeit gewidmet hatte, begeistert. Aber sobald sie anfing, konkret über ein Projekt zu diskutieren, kam all ihr Charisma zum Vorschein.“, bestätigt Monica Mazzei.

In der Kollektion wurden auch das Sofa Wavy, ein Entwurf für einen ihrer Freunde, und das Sofa Red, das sie exklusiv für Edra entwarf, aufgenommen. Die Produktion der vier Elemente bereitete verschiedene Schwierigkeiten: „Damals gab es kein CAD“, erklärt Leonardo Volpi, aus der Forschungs- und Entwicklungsabteilung von Edra, „ es fehlten rechte Winkel, gerade oder wenigstens gebrochene Linien – es war alles rund! –die einzelnen Teile nur passten zusammen, weil ein herausragender Tischler eine Reihe an Modellen aus Massivholz baute. Aus jenen Modellen wurden dann die Abdrücke für die Glasfaserformen gewonnen, die von einer Firma realisiert wurden, die Decks für Schiffswerften baute.“ 
Die Verbindung fortschrittlichster Technologien mit einer manuellen Verarbeitung ist ein Grundprinzip der Philosophie von Edra. „Es war alles andere als einfach“, erinnert sich noch Valerio Mazzei, „von der Planung der Basis von Metal Carpet, die eine 150-Kilo-schwere und über fünf-Meter-lange Kristallplatte stützte, bis zur „pointillistischen Nuancierung“, die mit einer Airbrushpistole erzielt wurde, um von fast schwarz auf weiß zu wechseln. Der von ihr entworfene und von uns exklusive entwickelte besondere Stoff, der als Bezug für das Woush dient, wurde so lackiert. Und die Kosten waren deutlich höher als der Umsatz in jenem Jahr 1988. Aber als wir im September am Rolling Stones in Mailand die Kollektion vorstellten, übertraf der Erfolg der Feier alle Erwartungen. So viele Personen warteten auf den Einlass, dass die Schlange entlang des Großteils des Corso XXII Marzo lief.“ 
Im September desselben Jahres war ich in New York auf einer Geschäftsreise, obwohl ich in Mailand wohnte. Aber der Widerhall jener außergewöhnlichen Feier war bis dort vorgedrungen. Er war noch eine lange Zeit danach zu hören. Die Debatte zum Bedarf an Dialog zwischen Design und Architektur wurde dadurch wiederbelebt und das erst entstandene Edra bestätigte seine Berufung zur Entdeckung neuer Talente. 1988 hielt Hadid auch Einzug ins Moma in New York und nahm an einer Ausstellung mit dem Namen „Deconstructivist Architecture“ teil. Ein wichtiger Meilenstein, doch diese Etikettierung wurde ihr zu eng. Bei der Frage, wie sie ihren Stil definieren würde, antwortete sie:  „Virtuose Eleganz, Forschung und Selbstreflexion“.

Ihre unvollendeten architektonischen Entwürfe werden nach ihrem Tod von ihrem Studio weiter verwirklicht, unter der Leitung ihres langjährigen Geschäftspartner, Patrick Schumacher, der momentan einen Hochgeschwindigkeitszug für die italienische Firma Interloop, der die vierzig-Minuten-Strecke des Malpensa Express auf nur zehn Minuten reduziert, plant. Aber Zaha Hadids Erbe geht über die Grenzen der Architektur und Einrichtung hinaus. Ihre Lust, mit Materialien, Technologien, Volumen und Formen zu experimentieren, regte sie dazu an, auch Sets für Theaterstücke zu bauen und mit Modehäusern wie Chanel und Louis Vuitton zu arbeiten. Sie entwarf Kleidung und Accessoires, die so strukturiert waren wie ihre Gebäude und sie zog sie an so oft sie konnte. 
2006 gründete sie Zaha Hadid Design, ein separates Unternehmen, das alle Kollaborationen und Sonderprojekte außer den Architekturplanungen in einem Dach vereinte. Auch heute noch setzen die beiden Direktoren Maha Kutay und Woody Yao ihre Reise mit den zeitlosen Unikaten, die auf Maß und in limitierter Auflage angefertigt wurden, sowie auch mit den gefeierten Kollaboration mit Unternehmen wie Bulgari, Swarosky, Georg Jensen, um nur einige zu nennen, fort. 2016, wenige Monate vor ihrem Tod, präsentierte sie sich zum Empfang der Gold Medal vom Royal Institute of British Architects völlig in Schwarz, ihre Lieblingsfarbe, gekleidet, eingehüllt in einen Umhang, der wie ein Mosaik mit verschiedenen, übereinanderliegenden, geometrischen Formen besetzt war. Drei Jahre zuvor zog sie 2013 bei den Modeschauen in Paris die Aufmerksamkeit auf sich mit verchromten metallisierten Stiefeln und 16-Zentimeter-hohen Absätzen mit einer geriffelten Oberflächen, die im 3D-CAD entworfen waren und die übereinander lagernde, geologische Schichten imitieren sollten (eine Idee, die bereits als Inspiration für ihr Galaxy Soho in Peking diente). Sie wurden für United Nude in einer limitierten Edition produziert: Skulpturen zum Anziehen, die ihre futuristische Vision auch im Stil zum Ausdruck brachten.


Gloria Mattion

Sie ist Autorin, Journalistin und Kommunikationsberaterin für Unternehmen der Branche. Sie lebt in Kalifornien, wohin sie vor vielen Jahren gezogen ist und wo sie ihrer Leidenschaft für den amerikanischen Modernismus in der Architektur nachgeht. Sie ist Autorin von in Italien und den USA veröffentlichten Büchern und Korrespondentin für mehrere europäische Magazine.

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