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Oktober 2023

FOCUS
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Laura Arrighi

Weiches Wohnen 

Stoff als Ausdruck einer neuen Form der Häuslichkeit

Ein Zuhause, schwebend in der Leere in der Mitte eines großen weißen Raumes, beleuchtet von Oberlichtern, die ein milchiges Licht durchlassen, das die Transparenzen und Fugen unterstreicht, die diesen Wohnbereich charakterisieren. Wir schreiben das Jahr 1999 und befinden uns im Baltimore Museum, wo der junge koreanische Künstler Do Ho Suh eines seiner ersten Werke vorstellt, das Seoul Home, ein Zuhause aus Stoff, das in allen Einzelheiten mit einer Schneidertechnik das Haus seiner Kindheit reproduziert. Ein schützendes Objekt - wie das häusliche Nest, in dem der Autor aufwuchs - und gleichzeitig zerbrechlich, leicht, transparent und weich. Für den Künstler ist das Zuhause ein Ort, an dem die Idee von Komfort mit emotionalen, sensorischen und taktilen Werten verbunden ist. In der Vision, die Do Ho Suh vorschlägt und die unsere heutige Zeit kennzeichnet, nehmen die Textilien eine zentrale Rolle ein. Es ist vor allem den Textilien zu verdanken, dass wir uns von den formalen und ergonomischen Parametern entfernt haben, die von den 30er Jahren bis in die zweite Hälfte des letzten Jahrhunderts bei der Gestaltung von Wohnräumen vorherrschten.

Ein Zeugnis dieses Paradigmenwechsels ist das halbtransparente, in einer Ecke hochgezogene Gewebe, das OMA 1980 bei der Strada Novissima der ersten Architekturbiennale von Venedig unter dem Titel La presenza del passato ausstellte: ein Vorhang, eine instabile und veränderbare Membran, die  ihrer Zeit voraus war und eine neue Bedingung für Architektur und Design definierte. Oder Shigeru Bans Curtain Wall House von 1994: ein Volumen, bei dem die Hauptfassade durch einen Vorhang ersetzt wird, der die doppelte Höhe bedeckt, auf der sich die Räume entwickeln. Oder Petra Blaisses textile Neuinterpretation der Villa Floirac, ein berühmtes Projekt von Rem Koolhaas' OMA-Studio. Ein Eingriff in zwei Akten (1998 und 2013): eine Reihe von Gesten mit textilem Material, das Grenzen auflöst und traditionell statischen Elementen Bewegung verleiht, um Räume zu funktionalisieren, ihre Umgebung und Atmosphäre zu verändern, Innenräume mit der äußeren Landschaft zu verbinden und immer neue und sich verändernde Beziehungen zu schaffen. 

Vom reinen Dekorations- und Polsterelement wurden Textilien zum regelrechten Gestaltungsmittel - für Architektur, Inneneinrichtung und Ausstattung - und markierten den Übergang zu einer neuen Art zu leben. Weicheres, sanfteres Wohnen, das „eine globale Komponente umfasst, in der psychologische Wahrnehmung, sensorische Erfahrung und ergonomische Korrektheit zu einem einzigen Universum der körperlichen und geistigen Kompatibilität verschmelzen. Der so konzipierte neue Komfort [...] definiert die Häuslichkeit neu [...] Das Bedürfnis nach Erleichterung, nach Verlangsamung der Erfahrung in einer immer komplexeren und mit Zeichen, Reizen und Informationen überladenen Umgebung wird zu einem immer stärker geteilten Bedürfnis, das sich auf verschiedenen Ebenen ausdrückt" (Francesco Morace, 2006).

Das Projekt begann, sich mehr und mehr mit all jenen Materialien zu befassen, die zusammen mit dem Stoff eine neue Sprache bilden. Francesco Binfaré nannte es die Sprache der Weichheit: „Ich mag Sofas, weil sie weich sind. Und die weiche Materie hat eine jüngere Geschichte. In der Antike war das Design immer hart, bestenfalls wurden Federn und Rosshaar verwendet, um die Steifigkeit zu mildern. Weichheit ist eine Sprache, die noch entdeckt werden muss. Sie ist eine Reise, die mich fasziniert”.

Es ist kein Zufall, dass der Begriff „weich" von Beppe Finessi für den Titel der Ausstellung La Casa Morbida verwendet wird, die im März 2014 im Museum Poldi Pezzoli in Mailand eröffnet wurde. Eine Sammlung von Werken, neue hybride „Produkte" zwischen Mode, Kunst und Design, die das wiedererwachte Interesse an der Welt der Textilien in den Vordergrund stellen. Als Antwort auf die weit verbreitende Technologie, aber auch als eine neue Art zu denken und den Raum um uns herum und die Objekte, mit denen wir interagieren, zu begreifen. 

Objekte wie die von Edra, die Weichheit als eine regelrechte Haltung interpretieren, taktile Konsistenz der formalen Erfindung, die Materie dem Zeichen vorzuziehen.

Das Design der Weichheit - fortgeführt von den Edra-Erschaffer, Francesco Binfaré sowie die Gebrüder Campana, Masanori Umeda - geht aus dem präzisen Studium von Strukturen, Materialien und internen Technologien hervor, um das Design des Stoffes als reinen, einfachen und aufrichtigen Ausdruck der Seele des Produktes zu erzielen: weich, gefühlsbetonend, leistungsstark. Es handelt sich nicht mehr um eine einfache Verkleidung, sondern um „Kleidung": ein Element, das eng mit dem „zu bekleidenden Körper" verbunden ist. Selbst wenn dieser Körper ein Möbelstück ist. 


Laura Arrighi

Architektin, Forschungsdoktorat, Webwriter und Freelance Editor. Sie beschäftigt sich vorwiegend mit Interieur, Design und Mode, mit einem besonderen Interesse für das Phänomen der Hybriden der verschiedenen Bereiche. Sie widmet sich: dem Schreiben, der Recherche, Didaktik, und arbeitet mit verschiedenen Institutionen und einigen bedeutenden, italienischen Architekturstudios zusammen.

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