Ornella Vanoni mit dem Margherita-Sessel auf der Bühne während der Italien-Tournee von „Frauen und Musik“, 2022 / 2023.
Oktober 2023
Laura Arrighi
L’appuntamento
Ornella Vanoni spricht in Fragmenten eines „guten Lebens“ über sich selbst
Vision
Für mich ist sie die Imagination. Sie ist das Gesicht meines Sohnes und die meiner Enkelkinder. Wenn ich die Augen schließe, sehe ich, was ich sehen will.
Entscheidungen
Ich wechselte von der Schauspielerei zur Musik und sang die Lieder der Mala. Ich weiß nicht, ob das richtig oder falsch war. Es war jedenfalls eine sliding door. Am Anfang konnte ich nicht mit dem Mikrofon umgehen, es hat lange gebraucht. Jahrelang war ich unbeliebt, weil ich zu elegant, zu schweigsam, zu schüchtern war. Und das hat mir nicht geholfen. Man hielt mich für eine Snob, doch in Wirklichkeit war ich äußerst zerbrechlich, wie geblasenes Glas.
Bis ich L’appuntamento sang.
Empathie
L'appuntamemento veränderte alles, weil es die Herzen der Italiener eroberte. Kein Wunder, dass von allen meinen Liedern, alle immer zuerst an dieses denken. Es muss mit der Fatalität zu tun haben, die in der Zeile „Ich habe mich schon so oft geirrt“ steckt und jeden berührt. Und wenn der erste Satz die Scheibe trifft, hat das Lied schon gewonnen.
Charakter
Langsam bin ich diese Schüchternheit losgeworden. Aber ich habe immer einen komplexen Charakter gehabt. Exzessiv, schamlos, ironisch und melancholisch... Die Melancholie verfolgt mich seit jeher, aber ich finde sie schön. Heute bin ich ruhiger und gelassener, aber ich habe immer noch einen eisernen Willen.
Freiheit
Ich habe einmal etwas Wichtiges getan. Es gab das Internationale Popmusikfestival in Venedig und ich habe mich für die Goldene Gondel beworben. Ich ging allein mit meinem Klavier hin und sang Mi sono innamorata di te von Tenco. Damit habe ich die Ketten des weiblichen Klichees gebrochen, denn niemand konnte sich eine Frau vorstellen, die nichts zu tun hat und nachts rausgeht, um ihren geliebten zu suchen.
Bühne
Ich liebe sie. Sie begeistert mich. Ich kann vor Müdigkeit umfallen, aber dann steigt auf der Bühne das Adrenalin und es geht wieder los.
Edra
Ich blätterte in einer Zeitung und bin von dem Sessel Margherita wie vom Schlag getroffen worden. Er schien mir aus Licht gemacht zu sein, und ich wollte mit ihm, die Kulisse der Tournee Die Frauen und die Musik schmücken. Bis dahin stand sie leer. Margherita hat sich wirklich „in Szene gesetzt“.
Schönheit
Sie ist überall, in der Natur, in einem schönen Kleid, in einem Gemälde... in der Stimme eines Menschen. Die Welt ist voller Schönheit, man muss sie nur sehen können.
Träume
Ich würde unheimlich gern mit Sting singen. Vielleicht passiert es irgendwann mal, wenn ich weiter daran denke.
Ornella Vanoni Ende der 1950er Jahre debütierte Ornella Vanoni am Piccolo Teatro in Mailand als Schauspielerin. Giorgio Strehler erfand daraufhin die Mala-Lieder für sie. In den 1960er Jahren lernte sie die Schule des genuesischen Singer-Songwritings kennen und arbeitete mit Fabrizio De André, Luigi Tenco, Paolo Conte und Gino Paoli zusammen. Sie hat in Filmen, Musikkomödien und im Fernsehen mitgewirkt und an mehreren Sanremo-Festivals teilgenommen. Sie hat mit internationalen Künstlern wie Vinícius de Moraes und Toquinho sowie den größten amerikanischen Jazzmusikern wie Herbie Hancock und George Benson zusammengearbeitet. Sie ist eine raffinierte Interpretin von Liedern wie „L’appuntamento“, „Eternità“, „La voglia la pazzia l’incoscienza l’allegria“, „Senza fine“, „Domani è un altro giorno“ und vielen anderen Hits. Sie wurde dreimal mit dem Tenco-Preis ausgezeichnet. |