Januar 2024
Laura Arrighi
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Bei Edra gibt es den Ausdruck „Designer“ nicht, wir nennen sie lieber „Autoren“. Wie Bruno Munari 1972 schrieb, sind unsere Produkte einfach „Gegenstände, die notwendige Funktionen erfüllen und jedes Mal je nach den eingesetzten Materialien und Technologien verbessert werden. Gegenstände für den täglichen Gebrauch in Häusern und an Arbeitsplätzen, die von den Leuten erworben werden, weil sie nicht den Moden folgen, keine Probleme mit Klassensymbolen haben und weil sie - egal von wem - gut entwickelt sind“. Unsere Kreationen sind mit bekannten Namen der Projektwelt verbunden. Noch vor ihrer stilistischen Chiffre legen wir jedoch Wert darauf, auf die Rolle hinzuweisen, die sie als Vordenker eines Prozesses hatten, der zeitlose Produkte ins Leben gerufen hat. Gelungen ist es ihnen auch dank ihrer Intuitionen, ihrer Ideen und ihrer Träume. Deshalb nennen wir sie Autoren. Wir haben nichts gegen den Ausdruck „Design“. Gerade davon sprach Munari bei seiner Beschreibung, die wir uns ausgeliehen haben, um den Sinn unserer Arbeit zu erzählen. Was uns nicht überzeugt, ist die Art und Weise, wie der Ausdruck im Laufe der Zeit verwendet wurde. Die Bedeutung von „Design“ wurde verzerrt. Im Englischen ist der Ausdruck wirksamer, weil er in der Bedeutung von „Projekt“ bzw. „Projektierung“ verstanden wird. Aber im Italienischen neigt man dazu, ihn einem scheinbar trendigen, modernen Stil, Einrichtungs- oder Modeartikeln oder Innendekors zuzuordnen. In vielen Fällen wird er irrtümlicherweise verwendet, um Qualitätsprodukte oder Produkte mit einer raffinierten ästhetischen Persönlichkeit zu beschreiben. Und oft sprechen wir von Design, wenn einfache Kopien bereits existierender Gegenstände erscheinen, ohne Neuerungen, Experimente, Verbesserungen, ohne neue Erzählungen, Emotionen, sondern nur mit dem Zusatz attraktiver Farben und Grafiken.
Ich hasse den Begriff „Art Director“ , Ettore Sottsass nannte sich selbst den „ Ober gärtner“. So fühle ich mich, ich bin der jenige, der sich um die Samen kümmert und sie wachsen lässt. Unsere Geschichte besteht aus kultivier ten menschlichen Erfahrungen und Bezie hungen zu „Designern“ , die sicherlich professionelle, aber grund legen die menschliche Bezie hungen sind.
Unsere Autoren präsentieren uns nicht nur eine Zeichnung, sondern sie erzählen uns eine Idee, einen Traum. Es ist ein Modell, das der Welt der Kunst näher steht als der des Designs. Gemeinsam versuchen wir, die beste Lösung zu definieren, „darüber hinaus“ zu gehen, ein Werk zu schaffen, das „anders“ ist als das Produkt, wie wir es immer gekannt haben: das Sofa, der Stuhl, der Sessel... Und das ist möglich dank einer Erfahrung, die im Autor den Auslöser eines genialen Werkes, einer kollektiven Geschichte sieht. „Ich hasse den Begriff Art Director“, erklärte Massimo Morozzi 2013 in einem Interview. „Ettore Sottsass nannte sich selbst den Obergärtner. So fühle ich mich, ich bin derjenige, der sich um die Samen kümmert und sie wachsen lässt. Unsere Geschichte besteht aus kultivierten menschlichen Erfahrungen und Beziehungen zu „Designern“, die sicherlich professionelle, aber grundlegend menschliche Beziehungen sind. Design an sich interessiert uns nicht so sehr, wir interessieren uns für die Möglichkeiten, die diese Arbeit bietet, um Beziehungen zu anderen Menschen zu haben. Durch diese Erfahrungen verfestigen sich die Dinge. Das ist wie beim Drehen eines Films. Hinter jedem Projekt steckt eine Geschichte, die aus Lebenserfahrungen stammt. Diese Erfahrungen werden zu Möbeln.“ Und Francesco Binfaré fügt hinzu: „Ich interessiere mich für die Menschen und was in ihren Köpfen vorgeht. Für mich sind Dinge Umhüllungen mit Inhalten und Nachrichten. Der Designer allein tut nichts, wie auch der Art Director allein und der Unternehmer allein nichts tun. Wir kommen aus einer Welt, in der es Buster Keaton und Charlie Chaplin gab, großartige Schauspieler, bei denen eine Figur alle in Atem hält. Nun betreten wir eine Welt, in der es Fellini, Mastroianni und De Laurentis gibt. Diese drei Figuren werden alle gebraucht, und in dieser Zusammenarbeit packen die Designer ihre Geschichten in ein Sofa.“
Francesco Binfaré
Francesco hat mit Edra über die Jahre einen weiten und konsolidierten Weg zurückgelegt. Der Intellektuelle, Philosoph und Künstler wurde in Mailand geboren, wo er heute noch lebt, und lernte Zeichnen und Malen bei seinem Vater. 1960 lernte er Cesare Cassina kennen, der ihm als erster die Möglichkeit bot, Kunst im industriellen Umfeld zu praktizieren. Von 1969 bis 1976 leitete er das Zentrum Cesare Cassina, das von Cassina und C&B Italia (heute B&B Italia) gefördert wurde. Später richtete er das Zentrum für Design und Kommunikation zur Erforschung und Förderung von Designprojekten ein. 1992 wurde er von Massimo Morozzi aufgefordert, für Edra zu arbeiten. Diese Begegnung markierte den Beginn einer neuen, einzigartigen und faszinierenden Saison mit Erfindungen von großen Sofas wie l’Homme et la Femme, Flap, On the Rocks, Sofà, Sherazade, Sfatto, Standard, Absolu, Essential, Pack, Grande Soffice, und dem Sessel Chiara, Projekte, in denen er mit einer essentiellen, kommunikativen und zeitlosen Sprache semantische Präzision, Freude an der Leistung, interaktive Intention, Neugier und Interesse am menschlichen Körper sowie Komfort auf höchstem Niveau in Idee und Form zusammenführte.
Fernando e Humberto Campana
Experimentelle Künstler. Sie wurden in Brotas, Brasilien, geboren und gründeten 1983 das Estudio Campana, das sich durch die ständige Suche nach innovativen Einrichtungslösungen auszeichnet. Sie arbeiten mit Transformation und Neuerfindung, wobei es ihnen gelingt, die einfachen Gegenstände des Alltags und gewöhnlichen Materialien zu verschönern. Mit dem Vermelha Chair, der 1998 vorgestellt wurde, besiegelten sie erstmals ihre Partnerschaft mit Edra. Im selben Jahr widmete ihnen das MoMa von New York eine von Paola Antonelli kuratierte Ausstellung mit dem Titel Project 66: Campana/Ingo Maurer. Mit der Firma haben sie unter anderem die Boa und Cipria Sofas, die Corallo, Favela und Grinza Sessel, die Blue Velvet und Jenette Stühle, die Campana BedsKollektion, die Brasilia Tische, die Campana-Lampe sowie die Cabana und Scrigno Schränke entworfen. Mit Edra gründeten sie das Café Campana im Musée d’Orsay in Paris
Jacopo Foggini
Jacopo wurde in Turin geboren und lebt heute in Mailand. Ein Forscher, der sich durch Kunst und Design bewegt. Während einer Zeit der Tätigkeit in Familienunternehmen entdeckte er die Vielseitigkeit von Polycarbonat, einem gängigen Material, das normalerweise zur Herstellung von Autoreflektoren verwendet wird. Fasziniert von den ästhetischen und chromatischen Eigenschaften dieses Materials begann er Anfang der 90er Jahre, mit dessen Verwendung für Installationen und Kunstwerke zu experimentieren. Nach seinem Debüt im Jahr 1997 mit einer Installation in den Räumen von Romeo Gigli eröffnete er seine eigene Galerie in Mailand. Für Edra ist er seit 2009, dem Jahr der Präsentation des Tisches Capriccio, tätig und entwirft Unikate von großer Ausdruckskraft und Persönlichkeit: die Stühle Gina, Gilda B., Ella, die Sessel Margherita, Alice, Ester und die Tische Egeo und Cicladi. Das Sonderprojekt des Stuhls Nel Blu Dipinta di Blu schmückt das Restaurant des Musée d’Orsay in Paris.
Masanori Umeda
Masanori ist derjenige, der der Sphäre des Designs am nächsten kommt, sich aber durch eine starke Poetik auszeichnet. Er wurde in Kanagawa in Japan geboren, schloss 1962 sein Studium an der Kuwasawa Design School in Tokio ab und zog 1967 nach Mailand, wo er im Atelier von Achille und Piergiacomo Castiglioni zu arbeiten begann. Von 1970 bis 1979 war er als Designberater für Olivetti tätig. 1980 kehrte er nach Japan zurück und gründete sein eigenes Studio in Tokio: u-Metadesign Inc. Zu seinen wichtigsten Werken gehört das 1981 für Memphis entworfene Bett Tawaraya, eine radikale Gruppe, die sich in Mailand unter der Leitung des Designers Ettore Sottsass formierte und der auch Umeda angehörte. 1990 debütierte er bei Edra in Brera in Mailand mit der Präsentation der Sessel Getsuen und Rose Chair, mit denen er versuchte, nach einer Zeit der globalen Nachkriegsindustrialisierung wieder eine Verbindung zwischen Design und Natur herzustellen. Er nahm an verschiedenen internationalen Ausstellungen teil und erhielt diverse Auszeichnungen, darunter den Braun-Preis in Deutschland, den Preis des Japanischen Verbandes kommerzieller Designer und den Großen Preis für Glasdesign.